Wer mit Kindern im Auto unterwegs ist, kennt das Problem mit dem Kindersitz. Je nach Größe und Alter der Kinder werden womöglich verschiedene Kindersitze benötigt. Diese sind oftmals sperrig und nehmen auf der Rückbank eine Menge Platz weg.
Dazu kommt, dass es gerade bei den Sitzen für Kleinkinder oftmals nicht ganz einfach ist, sie in den Sitz zu verfrachten, wenn das Kind gerade einmal keine Lust dazu hat.
Dennoch sind Kindersitze im Auto wichtig. Die Kindersitzpflicht hat schon vielen Heranwachsenden das Leben gerettet. Im Jahr 2019 sind immerhin rund 2,7 Millionen Unfälle im Straßenverkehr erfasst worden. Nur mit einem Kindersitz ist es möglich, Kinder unter einer Größe von 150 cm sicher im Auto zu transportieren. Im Falle eines Unfalls bestünde andernfalls eine enorm hohe Verletzungsgefahr.
Da wundert es nicht, dass der Gesetzgeber im Jahr 1993 Nägel mit Köpfen gemacht und die Kindersitzpflicht auf deutschen Straßen eingeführt hat. Doch was genau bedeutet die Kindersitzpflicht eigentlich für den Einzelnen? Was passiert, wenn Sie sich nicht an diese Pflicht halten? Und worauf sollten Sie beim Kauf eines Kindersitzes achten? Diese und weitere Fragen beantworten wir von Kinder-Familienzeit.de im folgenden Artikel.
Was ist die Kindersitzpflicht – Allgemeines / STVO
Man schrieb das Jahr 1976 als in Deutschland die Gurtpflicht im Auto eingeführt wurde – allerdings lediglich auf den Vordersitzen. Es dauerte tatsächlich noch bis zum Jahr 1984, bis die Gurtpflicht auch für die Rückbank galt. Selbst dann griff sie nur, wenn auch tatsächlich Gurte auf der Rückbank verfügbar waren. Wieder fast zehn Jahre später war es soweit – im Jahr 1993 wurde die Kindersitzpflicht eingeführt. Das hatte den einfachen Hintergrund, dass Kinder durch den klassischen Dreipunktgurt unter einer Körpergröße von 150 cm nicht richtig geschützt werden.
Der Gurt verläuft dann entweder noch komplett über dem Kopf oder so am Kopf oder Hals entlang, dass er eher eine Gefahr für das Kind darstellt, als es zu schützen. Außerdem konnten kleine Kinder schnell mal durch den Gurt durchrutschen. Einen echten Schutz bei einem Unfall stellt ein normaler Gurt für ein Kind daher nicht dar.
Die einschlägige Rechtsnorm ist hier § 21 Abs. 1a der Straßenverkehrsordnung (StVO). Die wichtigsten hier enthaltenen Regelungen haben wir hier einmal für Sie zusammengefasst:
- Kinder unter 12, die noch keine 150 cm groß sind, müssen in einem zugelassenen Kindersitz sitzen
- Dies gilt grundsätzlich für alle Sitze im Auto (außer natürlich dem Fahrersitz), also sowohl für die Rückbank als auch für den Beifahrersitz
- Für Taxen und Busse gelten hier gesonderte Regelungen
Das bedeutet im Umkehrschluss, dass jedes Kind, das mindestens 12 Jahre alt ist oder mindestens 150 cm groß ist, ohne Kindersitz fahren darf.
Tipp
Bei Kindern, die auch mit 12 Jahren die 150 cm Körpergröße noch nicht erreicht haben, wird trotzdem dringend empfohlen, weiterhin eine Sitzerhöhung zu nutzen. Die Regelung der Kindersitzpflicht dient dem Schutz und der Sicherheit der Kinder. Diese ist erst ab einer Körpergröße von 150 cm wirklich sichergestellt. Die Grenze von 12 Jahren ist lediglich eine politisch motivierte Grenze, um Personen mit einer geringen Körpergröße – zum Beispiel durch eine Krankheit oder eine Behinderung – nicht ihr Leben lang an einen Kindersitz zu binden. Aus dem Gesichtspunkt der Sicherheit heraus gibt es keinen Grund bei Menschen, deren Körpergröße unter 150 cm liegt, auf einen Kindersitz zu verzichten.
Natürlich gibt es auch für die Beschaffenheit von Kindersitzen eigene Regularien. Denn nicht jeder Sitz-Typ darf für jedes Kind genutzt werden.
Welche Kindersitzgruppen gibt es?
Wer in einem Babyladen einen Blick in die Kindersitzabteilung wirft, wird schnell feststellen, dass die Auswahl riesig ist. Unterschiedliche Marken, verschiedene Modelle und vor allem unterschiedliche Größen und Typen machen gerade jungen Eltern die Entscheidung oft schwer.
Dass die EU als rechtsgebende Instanz hier aktuell noch immer mit zwei Zulassungsregularien parallel arbeitet, macht die Auswahl dabei nicht gerade leichter. Zumal die älteren Zulassungsvorschriften die Sitzgruppen noch immer nach dem Gewicht einteilen – erst seit dem Jahr 2013 gelten die Regelungen der EU-Richtlinie ECE-R 129. Diese sieht nur noch die Körpergröße als wichtiges Merkmal für die Zulassung eines Sitzes für eine bestimmte Gruppe von Kindern vor. Aktuell gelten allerdings sowohl die Richtlinie ECE-R 129 als auch die ältere Richtlinie ECE-R 44/04 parallel.
Da jedoch die neuen Richtlinien die alten nach und nach ablösen sollen, haben wir hier einmal die wichtigsten Punkte der aktuellen Richtlinie zusammengetragen.
- Bis zu einer Körpergröße von 105 cm muss ein Kind mit einem sitzeigenen Gurtsystem angeschnallt werden, während der Sitz noch einmal separat im Auto zu befestigen ist.
- Sitze für Kinder zwischen 105 und 150 cm müssen nicht mehr über einen eigenen Gurt verfügen. Hier schnallen sich die Kinder in der Regel mit dem Autogurt an.
- Babyschalen und drehbare Sitze müssen bis zu einer Körpergröße von mindestens 83 cm rückwärtsgewandt sein
- Normale Kindersitze, die vorwärts gewandt sind, dürfen ab einer Körpergröße von 70 cm zugelassen werden
- Erst ab einer Körpergröße von 125 cm kann bei einer Sitzerhöhung auf das Rückenteil verzichtet werden. Hier muss zusätzlich ein Körpergewicht von mindestens 22 kg erreicht werden.
Tipp
Wenn Sie Ihr Kind in einer Babyschale oder einem Reboarder auf dem Beifahrersitz anschnallen, müssen Sie unbedingt daran denken, den Beifahrerairbag zu deaktivieren. Andernfalls stößt dieser im Fall eines Unfalls mit großer Kraft von hinten gegen den Sitz und kann zu erheblichen Verletzungen bei Ihrem Kind führen.
Die wichtigsten Kindersitztypen im Überblick
Sie werden am Markt verschiedene Kindersitztypen finden. Mit der neuen Richtlinie der EU darf jeder Hersteller die Zielgruppe seiner Sitze selbst festlegen. Wichtig ist lediglich, dass die Sicherheitsfaktoren des Sitzes den EU-Regularien für die festgelegten Größen entsprechen.
Die Babyschale
Sie ist der erste Kindersitz Ihres Babys. Ab dem ersten Lebenstag kann das Baby in der Babyschale Platz finden. Die meisten Modelle sind bis zu einem Alter von rund 12 Monaten bzw. bis zu einer Körpergröße von 70 – 80 cm ausgelegt.
Der klassische Kindersitz
Der klassische Kindersitz wird in verschiedenen Varianten angeboten. Es gibt den Reboarder, der durchgehend nach hinten gerichtet ist. Experten empfehlen die Nutzung eines Reboarders bis zu einem Alter von 4 Jahren, da bis dahin die Gefahr, bei einem Unfall mit einem Frontalaufprall Verletzungen zu erleiden, wenn das Kind nach vorn gewandt sitzt, deutlich größer wäre. Mit Reboarder ist ein Sitz gemeint, in dem das Kind wie bei der Babyschale den eigenen Autositz ansieht und damit entgegen der Fahrtrichtung sitzt.
Daneben gibt es den drehbaren Kindersitz. Ist ein Kindersitz drehbar, vereinfacht das einerseits natürlich das Anschnallen des Kindes im Sitz selbst, da Sie den Sitz quer stellen und damit von der Autotür aus direkt in den Sitz hineingreifen können.
Zu guter Letzt gibt es den klassischen Kindersitz auch nach vorn gewandt. Was alle drei Arten eint, ist das in den Sitz integrierte Hosenträger-Gurtsystem. So wird Ihr Baby im Sitz selbst optimal gesichert. Damit aber auch der Sitz gut gesichert ist, müssen Sie ihn so fest wie möglich im Auto befestigen. Sei es mit den autositzeigenen Gurten oder über eine Iso-Fix Einrichtung des Herstellers direkt mit der Karosserie.
Die Sitzerhöhung
Anfangs – ab einer Größe von 105 cm – muss die Sitzerhöhung noch befestigtem Rückenteil genutzt werden. Doch schon hier wird das Kind bereits mit dem Gurt des Autositzes angeschnallt. Einen integrierten Sicherheitsgurt hat dieser Kindersitztyp nicht mehr. Ab einer Größe von 125 cm und einem Gewicht von 22 kg kann das Rückenteil entfernt werden und das Kind kann allein auf der Sitzerhöhung sitzen.
Achtung
Nutzen Sie unbedingt eine Sitzerhöhung mit zwei Hörnern für die Gurtführung. Andernfalls kann Ihr Kind leicht aus dem Gurt herausrutschen und es ist kein echter Schutz bei einem Unfall gegeben.
Kindersitzpflicht in Bussen
In Bussen besteht keine Kindersitzpflicht. Das liegt daran, dass sich die meisten Kindersitze ohnehin nicht mit den einfachen Gurten in einem Reise- oder Schulbus befestigen lassen. Dreipunktgurte sind hier eher eine Seltenheit. Wenn Sie allerdings eine Busreise planen, sollten Sie sich vorher nach möglichen Regelungen der Busgesellschaft erkundigen. Denn vonseiten der Busgesellschaften wird häufig eine Kindersitzpflicht bis zum 3. Lebensjahr festgelegt. Den entsprechenden Sitz haben die Eltern dann selbst zur Fahrt mitzubringen.
Kindersitzpflicht in Taxen
Auch Taxen unterliegen dem Personenförderungsrecht, da sie zum öffentlichen Personennahverkehr gezählt werden. Dennoch werden sie anders behandelt als Busse beispielsweise. In Taxen besteht tatsächlich eine Kindersitzpflicht. Grundsätzlich ist jeder Taxifahrer verpflichtet, zwei Kindersitze für Kinder mit einem Gewicht ab 9 kg mitzuführen, wobei einer dieser Kindersitze in Deutschland für Kinder zwischen 9 und 18 kg zugelassen sein muss. Die hier verankerten gesetzlichen Regelungen orientieren sich noch an der EU-Richtlinie ECE-R 44/04.
Kindersitze für Fahrgäste unter 9 Kilogramm – und damit in der Regel Babyschalen – müssen die Eltern als Fahrgäste selbst mitführen.
Besondere Ausnahmeregelungen
Nach § 21 Abs. 1a Satz 2 Nr. 2 StVO dürfen Sie Ihr Kind mit einem einfachen Autogurt anschnallen, wenn auf der Rückbank aufgrund anderer Kindersitze nicht mehr genug Platz für einen weiteren Sitz ist. Damit sollen beispielsweise Eltern von drei Kindern davor bewahrt werden, unbedingt aufgrund der Breite der Kindersitze ein neues Auto kaufen zu müssen. Sind zwei Kinder in einem Kindersitz gesichert, kann auf die Sicherung des dritten Kindes in einem Kindersitz auch vor erreichen des 12. Lebensjahres und einer Körpergröße von 150 cm verzichtet werden.
Fazit
Die Kindersitzpflicht in Deutschland ist eine Regelung mit zahlreichen verschiedenen Aspekten. Aus diesem Grund ist es sinnvoll, sich vor dem Kauf eines Kindersitzes genau zu informieren, welcher Sitz für Sie und Ihr Kind wirklich der geeignete ist. Auf die Frage, an wann kein Kindersitz mehr notwendig ist, gibt es allerdings aus Sicht des Gesetzgebers eine klare Antwort. Sobald das Kind 12 Jahre als ist oder eine Körpergröße von 150 cm erreicht hat. Im zweiten Fall ist das Alter nicht mehr relevant.
Tipp
In Deutschland sind die Bußgelder mit Beträgen zwischen 30 Euro (Kind nicht richtig gesichert) und maximal 70 Euro (mehrere Kinder im Auto gar nicht mit einem Kindersitz gesichert) noch vergleichsweise human. Fahren Sie beispielsweise mit Ihrem Baby in den Winterurlaub nach Frankreich, kann bei einer falschen oder nicht vorhandenen Sicherung des Kindes schon ein Bußgeld in Höhe von 135 Euro anfallen.
In Italien beispielsweise liegen die Bußgelder zwischen 85 Euro und 320 Euro. In Portugal können Bußgelder bis zu 600 Euro verhängt werden und in Spanien fangen die Bußgelder wegen falscher oder gar keine Sicherung des Kindes in einem Sitz erst bei 200 Euro an. Informieren Sie sich daher vor einem Auslandsaufenthalt unbedingt immer über die an Ihrem Urlaubsort geltenden Regeln zur Kindersitzpflicht.
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